Speziell gemischte Frühlingsgefühle

„Literaturkonzert“ mit Sibylle Bertsch, Iris Gruber und Pim Weierink/Schloss Ritzebüttel

Von Ilse Cordes/ Cuxhaven

Die Auswahl war ohne Frage besonders gelungen in diesem mit „Frühlingsgefühle“ betitelten Literaturkonzert, sowohl was die Texte als auch die Musik anging. Wer am Donnerstag im Schloss Ritzebüttel vor allem von romantisch-simmungsvollen Klängen umspielte Frühlingsgedichte erwartet hatte, wird überrascht gewesen sein, worin sich besagte Frühlingsgefühle überall verbergen können. Natürlich in den bekannten, den Frühling besingende Gedichten von Eduard Mörike oder Theodor Fontane, aber auch in Texten wie Anton Baltrums „Hafenstraße“, in Hans Christian Andersens Märchen „Der Schmetterling“, in Goethes „Osterspaziergang“ ebenso wie in Bert Brechts „Terzinen über die Liebe“, in Haruki Murakamis Text vom 100%igen Mädchen oder bei Erich Kästner in den Gedichten „Der März“ und „Der Mai“ . Manches kennt man, hat es vor Jahren gelesen. Und manches, vielleicht sogar den größten Teil, kannte man nicht. Den Anreiz, es wieder einmal zu lesen – auch das eine Quintessenz dieses Abends. Wie Malerei und Musik bringen auch Literatur und Musik sich wechselseitig zum Klingen. Dabei kann das Zusammenspiel harmonisch und zugleich dissonant sein, kann musikalische Interpretation von Gedichtzeile und Text sein oder umgekehrt. Mit Ihrem „Literaturkonzert-Format“ wandelt die Schauspielerin Sibylle Bertsch durchaus nicht auf ausgetretenen Pfaden – im Gegenteil. Sie ist auf der Suche nach Verborgenenem. Nach Literarischem, Dichterischem, das eben nicht gleich auf den ersten Blick zum „Thema“ passt. Für ihre Zuhörer macht schon das den Abend interessant, ja überraschend. Dazu kommt, dass Sibylle Bertsch eine wirkliche Gestalterin der Texte und Gedichte ist, die sie rezitiert und liest.

Doch all das wäre nur bestenfalls die Hälfte ohne die Musik. Zumal Sibylle Bertsch mit der österreichischen Saxophonistin Iris Gruber und dem niederländischen Gitarristen, Komponisten und Multitalent Pim Weierink zwei ganz ausgezeichnete Musiker für ihr Literaturkonzert hat. Dass beide, Iris Gruber wie Pim Weierink, in der Klassik wie im Jazz und in noch manch anderen Musikrichtungen zu Hause sind, ist von Anfang an unüberhörbar. Zwar wäre Carl Philipp Emanuel Bach wohl etwas irritiert ob der Besetzung seiner Hamburger Sonate mit Saxophon, auch Claude Debussiy ging es mit seinem im Original für die Flöte geschriebenen „Syrinx“ nicht anders, doch alles, was an diesem Abend von Astor Piazzolla, Kurt Weill, Richard Rogers und Carlos Gardel beispielsweise erklang, war ganz einfach mitreißend gespielt – vom Saxophon wie von der Gitarre. Und auch hier war die Mischung besonders, überraschend und ausgefallen . Goethes „Osterspaziergang“ aus „Faust I“ und Fontanes „Frühling“ etwa wurde nicht, wie durchaus zu erwarten gewesen wäre, Musik aus ihrer Zeit zugeordnet, sondern beide fanden sich wie auch Hans Christian Andersen im Umfeld von Richard Rodgers „My Favorite Things“ wieder . Und dennoch, es passte alles. Nicht zletzt, weil es bei der sprichwörtlichen Bandbreite an „Frühlingsgefühle“ um Stimmigkeit ging. Und da ist die Auswahl in Sachen Musik bekanntermaßen groß. Viel Beifall gab’s am Schluss.