„frei & streng“ Sprachlandschaften/Rheinische Zeitung

Von Monika Koch.

Mit dem Frühlingserwachen der Natur konkurrierte am Sonntagnachmittag im Kloster Bentlage die szenische Textlesung und Musikinszenierung „frei & streng“ mit ihrem Programm „Hölderlin-Tango-Artmann“. Rezitatoren waren Sibylle Bertsch und Nikolaus Schneider, der auch für die Textauswahl und Dramaturgie stand. Iris Gruber begeisterte mit ihrem Saxophon, Pim Weierink an der Gitarre. Obwohl der Festsaal mehr Menschen hätte fassen können, war der Applaus am Ende so gewaltig, als sei die einzigartige Konzert-Lesung ausverkauft gewesen. Die Akteure waren sichtlich berührt…
Die „Musik-Text-Collage“ war ebenso anspruchsvoll wie professionell in ihrer Darbietung…
Suchte man zu Beginn nach einem roten Faden zwischen dem Dialog der beiden Dichter Friedrich Hölderlin und Hans Carl Artmann, verzichtete man im Laufe der Zeit mehr und mehr auf den Sinngehalt. Die Textwiederholungen, untermalt von Lauten des Saxophons und der Gitarre, hatten ihre eigene Sprache und Wirkung. Das Saxophon ließ die Luft flirren, die Gitarre mutierte zwischenzeitlich zum Cajon. Die Texte warfen Bilder in den Raum. Sibylle Bertsch rezitierte prägnant: „Ein geschleudertes Stück des Ozeans auf der Brust des Inlands“. Nikolaus Schneider sinnierte: „Es fällt ein Brief aus einem Cadillac, wer liest ihn, wer fängt ihn, wer reißt ihn auf?“ Ihre Brücke ist die Musik, immer auf der Suche nach neuen Lauten. Töne, die im Raum verhallen, fügen sich allmählich wie ein Puzzle ineinander zu einem grandiosen Tango in einem brillanten Zusammenspiel der Instrumente…
Die Intention der Künstler war die Gegenüberstellung von zwei Dichtern über Jahrhunderte hinweg, die in aller Gegensätzlichkeit auch subtile Ähnlichkeiten verbinden.
Der „Archipelagus“ von Hölderlin entstand um 1800, gesetzt im Versmaß der Epen Homers. Mit „Archipelagus“ personifiziere der Dichter das Ägäische Meer, für ihn ein Schauplatz für Entstehen und Vergehen menschlicher Kultur. Die „landschaften“ entstammen dem Gedichtzyklus von H.C. Artmann aus dem Jahre 1966. Er beschreibt keine realen Landschaften, sondern entwirft sie aus der Sprache. Beide Dichter verbindet die Liebe zu intensiven sprachlichen Augenblicken und unvermuteten Fügungen.
Die Umsetzung in Tangorhythmen …auf Gitarre und Saxophon machte die Vorstellung zu einem akustischen Erlebnis. Die Konzertreihe „frei & streng“ wird von der regionalen Kulturpolitik in Nordrhein-Westfalen gefördert. Kulturstätten sind die Stiftskirche in Vreden, die Friedenskapelle in Münster und Kloster Bentlage.