Was gibt es neues bei Literaturkonzert 2020?

Das Jahr 2019 ist als Fontanejahr für uns zu Ende gegangen. Effi Briest hat uns begleitet. Es war auch für uns eine Wiederentdeckung.                                                                                                                                                                                                   Natürlich ist ein „Theaterabend“ viel zu kurz, um den ganzen Roman auszuleuchten. Doch in Verbindung mit der virtuos gespielen Klaviermusik, ausgesucht und interpretiert von Cosmin Boeru, ist uns ein anregender und aufregender Theaterabend gelungen.

Wie ist das mit der klassischen Literatur eigentlich? Mit der klassischen Musik? Wir, die wir uns diese Literaturkonzerte überlegen und zur Aufführung bringen, wir sind keine Philister, keine Professoren oder Kritiker. Wir sind Künstler, die ein Abenteuer wagen – unser Publikum hineinziehen wollen in die Gefühls- und Gedankenwelt der Autoren ins ganz persönliche Kopfkino. Natürlich interessiert uns auch, wie sie „gemacht“ sind, die Geschichten – und wir wollen beweisen, dass die Werke Meisterwerke sind, weil sie auch heute noch sehr viel mit uns zu tun haben, zu uns sprechen.

Ja, man kann auch zeitgenössisches spielen und hören, und bei Gelegenheit sind wir gerne dabei! Wer sich einläßt, erlebt, was das gesprochene Wort alles kann. Und gerade bei Fontane können wir lernen, mit der Vieldeutigkeit und den feinen Nuancen bei der Wahrheitsfindung umzugehen. „Es kommt immer auf die Beleuchtung an“ – ist eine seiner vielzitierten Aussagen. Möge er auch 2020 nicht in der Bibliothek der vergessenen Bücher verschwinden.

„Liebste Fenchel“ – der Roman von Peter Härtling, der zum Ende des letzten Jahres als Literaturkonzert Premiere hatte, wird auch 2020  auf dem Spielplan stehen. Kenntnisreich und vorsichtig geht Härtling, nach Tagebuchaufzeichnungen und Briefen, der inneren Wahrheit der Familie Mendelssohn-Bartholdy auf den Grund. Das jüdische Leben im preussischen Berlin spielt dabei eine große Rolle, ebenso wie das Ringen um öffentliche Anerkennung der Komponistin und Pianistin Fanny Hensel.

Natürlich werden auch die so beliebten Jahreszeiten-Konzerte, zum schmunzeln, nachdenken, anregen, weiter ausgebaut und angeboten. Es sind Literaturkonzerte die, wie eine Veranstalterin einmal sagte, eigentlich ärztlich verordnet werden sollten.

Klopstock und H.C. Artmann werden mich begleiten durchs Jahr – das Zeitalter der Empfindsamkeit, die Briefe der Meta Klopstock und die sprachliche Freiheit und der überbordende Geisteswitz des österreichischen Dichters H.C.Artmann, der im nächsten Jahr sein hundertjähriges Jubiläum hat.

Für den „Lärm der Zeit“, nach Julian Barnes, suchen wir noch mutige Veranstalter. Der Komponist D.Schostakowitsch muss sich die Erträglichkeit des Daseins erfinden – er zahlt für seine künstlerische Freiheit einen hohen Preis und einen noch höheren für seine Unterwerfung in das System des Josef Stalin.

Und die Musik? Ist das nur was für die Älteren? Natürlich nicht, alle sollen sich begeistern!  Wie ist  zu erklären, dass viele junge Leute aus aller Welt sich nach wie vor an den Hochschulen  um dieses schwere Studium bewerben? Ihr Leben damit verbringen den Ton zu entwickeln, der die eigene Seele und das Werk spiegelt?  Klassische Musik ist geistreich, unendlich vielfältig und eine internationale Sprache; aufgeschrieben und gefunden in dramatischen oder glücklichen Lebensumständen, so dass es Mut braucht, diese Gefühlswelten zuzulassen, anzunehmen. Gute Musik braucht gute Pflege und sehr viel Training.

Bei aller Vorbereitung ist dann der Moment der Begegnung immer ein Abenteuer und ein Wagnis, denn wir wissen nicht, auf wen wir treffen, wir hoffen, dass all unsere Sinne in voller Wachheit zur Verfügung stehen, dass niemand während der Vorstellung sein Mobiltelefon eingeschaltet hat, dass wir es verstehen, Sie, liebes Publikum, zu bewegen.

Mit von der Partie sind gewiß die Saxophonistin Iris Gruber, der Pianist Cosmin Boeru, der Gitarrist Pim Weierink, der Schauspieler Konrad Krauss und ich selbst, Sibylle Bertsch

Wir sollen und wollen Fragen stellen, uns interessieren, die Phantasie und die Seele nähren mit Substanz. Klingt pathetisch, ist es auch. Ich kann die großen Gefühle doch nicht nur dem Sport und den Massenmedien überlassen…Bleiben Sie uns gut, wir wünschen allen ein fröhliches, friedvolles, interessantes und bewegtes Jahr 2020!